Berggorillas in Uganda Teil 10

                                                                            


Es hatte in der Nacht geregnet. In der Morgendämmerung trat ich vor die Hütte. Ein Nebelschleier lag über den Wäldern und die Vögel zwitscherten um die Wette. Am Eingang des Camps warteten schon zwei Ranger und ein Guide. Zwei Kalifornische Paare waren mit von der Partie. Ein schmaler Pfad führte uns in den Regenwald. Man sagte uns, dass wir zuerst zu den Platz erreichen müssen, an dem unser Guide die Gorillas am Vortag zuletzt gesehen hatte. Anfangs ging es gemütlich bergauf. Das Klima war noch angenehm. Die beiden Frauen erzählten mir, dass sie sich im Fitnessstudio für die Tour vorbereitet hatten. Bald stieg der Weg immer steiler an. Das Unterholz wurde immer dichter und der Boden immer glitschiger. Nach einer Stunde trafen wir an der gesuchten Stelle ein. Nun bekamen wir Verhaltensinstruktionen, die wir bei unser Begegnung mit den Gorillas unbedingt einhalten sollten: kein Blitzlicht, nichts essen, nichts trinken, nicht rauchen. Nichts tun, was die neugierigen Jungtiere veranlassen könnte näher zu kommen, und immer eine Distanz von fünf Meter einhalten. Es ging weiter. Unserem Guide entging nichts. Kein Fußabdruck im Schlamm und kein umgeknickter Zweig. Wir trafen auf Exkremente in einer Fliegenwolke. Inzwischen war das Unterholz so dicht, dass er uns mit einer Machete den Weg gebahnt musste. Die Luft wurde immer drückender. Der Schweiß klebte in unseren glänzenden Gesichtern und Stechmücken sirrten uns um die Ohren. Auf einmal forderte unser Guide uns mit Handzeichen auf stehen zu bleiben. Ich lauschte in das Dickicht und hörte es rascheln und vernahm Grunzlaute und ein paar Meter weiter erblickten wir eine kleine Gorillafamilie. Zuerst ein Weibchen, das gemütlich fressend auf der Erde saß, und zwei schwarze Wollknäule mit kugelrunden Bäuchen, die im Geäst turnten. Dann teilten sich die Zweige eines Gebüschs und der Silberrücken betrat die Bühne. Zwei weitere Tiere folgten ihm. Mir wurde mulmig. Er setzte sich demonstrativ mit misstrauischem Gesicht in unsere Nähe und schaute sich das Geschehen in aller Ruhe an. Nach einer Weile knickte auch er mit seinen kraftvollen schwarzen Händen Zweige ab, und begann zu fressen, registrierte jedoch unserer Bewegungen. Ein seltsames Gefühl überfiel mich. Ich sah ihre Bewegungen, betrachtete ihre Hände und blickte verstohlen in ihre Augen, und spürte auf einmal eine tiefe, verwandtschaftliche Verbundenheit mit diesen Tieren, die man zurecht als Menschenaffen bezeichnet.
                                                                                 

Berggorillas in Uganda Teil 9

                                                                                    Berggorillas in Uganda Teil 9

Zurück im Visitor Hotel, es war ein neuer Gast angekommen. Er saß mit einem Bier auf einer Bank neben dem Eingang und blinzelte in die Sonne. Ich kaufte mir ebenfalls eine Flasche Bier und gesellte mich auf einen Schwatz zu ihm. Er erzählte, dass er aus Kanada kommt und auf Freunde wartet, die in einigen Tagen eintreffen sollten.
Am Abend bekam ich vom Betreiber des Hotels einen Tipp. Ein Mitarbeiter der Forstverwaltung musste am folgenden Tag ins Buhoma Camp, Ausgangspunkt für das Gorilla Trecking. Er erklärte sich bereit mich mitzunehmen.
Und so warf ich am frühen Morgen des folgenden Tages meinen Rucksack auf die Ladefläche eines Pickups und sprang hinterher, denn das Führerhaus war bereits voll besetzt. Ich suchte mir eine stabile Ecke und schon begann die Schaukelei auf einer holprigen, staubigen Piste. Eine Staubwolke aus vulkanroter Erde wirbelte dem Wagen hinterher. Stunde um Stunde rumpelten wir durch eine grüne Landschaft mit kleinen Parzellen aus Äckern, Mangobäumen und Viehweiden. Der Wald schien weit entfernt.
Als ich drei Stunden später vom Wagen absprang, tat mir von dem harten Gerumpel alles weh. Mein Rucksack war mit rotem Staub eingepudert und nach den Gesichtern meiner Mitreisenden zu urteilen, sah ich genau so aus. Ich kramte einen kleinen Spiegel aus meinem Gepäck und begann zu lachen und alle lachten mit. Ich bezog im Camp eine einfache Hütte mit einem Dach aus Palmblatt. Hinter der Hütte floss ein Bach vorbei. Der kam mir gerade Recht. In voller Montur nahm ich erst einmal ein erfrischendes Bad und bereite mich von dem roten Staub. Das Wasser war kristallklar. Es kam direkt aus den Bergen und hatte noch keine menschliche Siedlung passiert. Ich füllte auch meine Wasserflasche, es schmeckte wunderbar.

Berggorillas in Uganda Teil 8


Das Visitor Hotel in Kabale war die Anlaufstelle für Backpackers. Hier traf man Gleichgesinnte aus aller Welt, konnte Erfahrungen austauschen und viele Tipps bekommen. Ich hoffte einen billigen Transport nach Bwindi zu finden, denn ab hier gab es keine öffentliche Verkehrsmittel mehr und nach Bwindi waren es noch gut hundert Kilometer. Ich bekam ein Zimmer, war der einzige Gast, aber es war ja noch früh am Tag. Im Gemeinschaftsbad wollte ich eine Dusche nehmen, doch man sagte mir es gäbe Wasserprobleme, und drückte mir einen Eimer in die Hand. O.k. dachte ich, dann gibt es eben nur eine Katzenwäsche. Ich nahm den Eimer und drehte den Wasserhahn auf, doch anstelle von Wasser kam nur ein Gezische und nach einigen Sekunden eine rostrote Brühe. Ich verzichtete vorerst auch auf die Katzenwäsche und zog los, um mich in Kabale umzuschauen.

Lebhaftes Treiben, nur selten ein Auto, die Menschen waren zu Fuß oder mit einem Fahrradtaxi unterwegs. Ich kam mit ein paar Mädchen ins Gespräch. Sie erzählten mit, dass sie in Kabale die Handelsschule besuchen und luden mich ein, sie mir zu zeigen. Ich hatte Zeit und war neugierig, so ging ich mit ihnen. Auch sie waren neugierig und stellten mir viele Fragen wie: ob es in Deutschland auch so viele Fahrradtaxen gäbe. Nun saß ich in der Zwickmühle. Nein, antwortete ich, nicht so viele. Wir liefen eine staubige Straße entlang, bogen in einen schmalen Fußweg ein, und standen dann vor einem niedrigen Gebäude das den Eindruck machte, es sei noch nicht fertig geworden. Beim näheren Hinsehen stellte sich heraus, dass der Zustand des Gebäudes ein Resultat von Gewalt und Zerstörung war. Die Fenster hatten kein Glas mehr, im Innenraum gab es nur noch einen gestampften Lehmboden, lädierte Schulbänke aus Holz und Schreibmaschinen, die aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg stammten. Die Mädchen waren sichtlich stolz. Eine Handelsschule zu besuchen war offensichtlich ein Privileg. Ich gab mir redlich Mühe alles gebührend zu würdigen. Einer ihrer Freunde fuhr mich mit seinem Fahrradtaxi zurück zum Visitor Hotel. Das Gefährt schaukelte gemütlich durch die Schlaglöscher der Straße.

Berggorillas in Uganda Teil 7


  

Afrikanische Nächte sind kurz. Schon um sechs Uhr, es war noch dunkel, wurde ich geweckt vom Geklapper irgendwelcher Töpfe und von krähenden Hähnen. Auch meine Zimmermitbewohner waren schon im Aufbruch. Ich erhob mich, rollte meinen Schlafsack zusammen, und nach einer kurzen Katzenwäsche machte mich auf den Weg zum Busbahnhof.                                                                             
 
 Der Bus stand auch schon da. Wunderbar, ich war nicht zu spät. Die Tür stand offen. Ich setzte mich hinein. Es kamen weitere Fahrgäste. Sie stiegen ein und wieder aus. Auch der Busfahrer und sein Mitarbeiter stieg ein und wieder aus. Es kamen Straßenverkäufer mit Essen und Trinken. Sie stiegen ein und wieder aus. Gegen zehn kamen weitere Fahrgäste und gegen elf war endlich der letzte Platz besetzt. Jede Ecke war ausgefüllt mit Taschen, Säcken, Hausrat. Auf dem Dach wurde noch ein Bett festgebunden. Zwei Hühner mit gefesselten Beinen wurden unter meinem Sitz verstaut. Der Mitarbeiter des Busfahrers,  ein etwa zwölf Jahre alter Junge, sammelte das Fahrgeld ein. Endlich ging es los. Der Bus fuhr an eine Tankstelle zum Tanken, und dann noch an eine Zweite um den Luftdruck der Reifen zu prüfen. Dann wurden wir stundenlang geschaukelt und gerüttelt. Kabale war schon in Sicht, die Straße abschüssig. Der Motor blieb nach einigem Geruckel plötzlich stehen. Der Fahrer ließ den Bus zum Seitenrand rollen und zog die Bremse an. Die Fahrgäste stiegen aus, ich auch. Es hieß, das Benzin sei ausgegangen. Niemand regte sich auf. In Afrika beherrscht man etwas was uns längst abhanden gekommen ist : die Kunst des Wartens. Die Reisenden setzten sich an den Rand des Straßengrabens, packten ihre Essensvorräte aus und schwatzten lebhaft miteinander. Auf der Straße herrschte ein buntes Treiben. 
Der Junge stand mit einem fünf Liter Kanister am Straßenrand und fuhr per Anhalter zur nächsten Tankstelle. Eine halbe Stunde später war er wieder da, das Benzin wurde eingefüllt, alle stiegen wieder ein und die Fahrt ging weiter.
                                                                               

Berggorillas in Uganda Teil 6



Kampala, die Hauptstadt Ugandas kam in Sicht. Ein letzter Hügel musste überwunden werden. Wieder einmal rollte der Zug zurück, um erneut einen Anlauf zu nehmen.
An den Gleisen entlang Müll und streunende Hunde auf der Suche nach etwas fressbaren. Darüber kreisten Geier und schwarze Milane. Einige aufgetürmte Müllhaufen hatte man angezündet. Ein beißender Rauch wurde vom Wind herüber geweht und brand mir in den Augen. Ich schloss das Fenster. Bald darauf lief der Zug nach gut zwanzig Stunden im Bahnhof von Kampala ein.
                                                                                                                                                             
Die Stadt liegt über tausend Meter über dem Meeresspiegel. Sie wurde ursprünglich auf sieben Hügel erbaut, heute sind es deutlich mehr. In den Straßen herrschte reger Betrieb, die ganze Stadt war in Bewegung. Alle möglichen Waren wurden von A nach B transportiert.
Was mir zuerst auffiel waren die deutlichen Spuren, die der Bürgerkrieg hinterlassen hatte. Kriegsruinen und Einschusslöcher prägten das Stadtbild. Ich wechselte bei einer Bank einen fünfzig Dollarschein und bekam dafür ein unglaubliches Bündel schmutziger Uganda Schillinge. So also fühlt sich Inflation an.
Das Namirembe Guest House lag etwas außerhalb der Stadt auf einem Hügel. Ich verhandelte den Preis mit einem Taxifahrer. Er schien gering, aber ich bin sicher, dass sich mehr als ein Afrikaner zahlen musste. Die Straßen bestanden vorwiegend aus Schlaglöchern und verglichen mit anderen afrikanischen Städten, gab es auffallend wenig Autos. Als ich aus dem Taxi stieg, hatte ich einen wunderbaren Blick über die Stadt. Das Guest House war einfach und sauber eingerichtet. Es gab Zweibett und Mehrbettzimmer, zwei Gemeinschaftsduschen, eine für Männer und eine für Frauen. In
einer kleinen Kantine konnte man sich günstig mit Essen und Trinken versorgen. Ich bekam noch ein Bett in einem Mehrbettzimmer. Dort gab ich meinen Rucksack in Verwahrung und machte mich zu Fuß auf den Weg ins Zentrum. Am Wegrand saßen Kinder auf der Erde und hatten etwas Gemüse und Früchte auf einem Tuch zum Verkauf ausgebreitet. Gerade soviel wie die Menschen, die um ihre Hütten kleine Parzellen bewirtschaften, entbehren konnten. Uganda ist ein sehr fruchtbares Land. Ein tropisches Klima und regelmäßige Regenschauer bescheren mehrere Ernten im Jahr. Ich blieb bei einem Mädchen mit krausen Zöpfen stehen. Auf ihrem Tuch hatte sie hatte Mangos in Dreiergruppen drapiert. Ich kaufte drei von diesen Mangos für umgerechnet zwanzig Cent. Der Geschmack war sensationell.
Ich lief über löchrige Bürgersteige und bog in die Kimathi Avenue ein. Dort betrat ich ein kleines Reisebüro, Rwenzori Tours Mt.& Travel. Ich zahlte 120 Dollar und Fred und Jennifer händigten mir das Permit für das Gorillareservat aus.
Am Busbahnhof fragte ich mich durch, bis ich den Bus nach Kabale fand. Man sagte mir dass er morgens früh abfährt. Mit der Uhrzeit will sich niemand so genau festlegen. Auf dem Heimweg wurde ich von einem heftigen Gewitter überrascht. Sintflutartig ergossen sich Wassermassen über mich. Bäume am Straßenrand konnten mir keinen Schutz bieten. Sturzbäche stolperten durch Schlaglöcher an mir vorbei. Ich ergab mich meinem Schicksal. Nach zwanzig Minuten war der Spuk vorbei, und die Sonne schien als hätte sie an diesem Tag nichts anderes getan. Ich war nass bis auf die Haut, stand da wie ein begossener Pudel und wrang den Saum meines Kleides aus. Als ich in meiner Unterkunft auf dem Hügel ankam, war ich jedoch schon wieder trocken.
Die erste Nacht verbrachte ich mit einer Familie aus Tansania. Vater, Mutter und eine Tochter. Durch ein großes Fenster blickte ich auf eine Stadt mit spärlicher Beleuchtung. Auf dem Tisch lagen Kerzen bereit, denn die Stadt ist mit Stromausfällen gesegnet. Man kann stündlich damit rechnen. Besonders am Abend ist das Netz oft überladen. Ich stellte meinen Rucksack neben mein Bett und versuchte mich in der Dunkelheit in meinem Schlafsack halbwegs auszuziehen.